Böse Erinnerungen wurden in diesem März wach, als die Nachrichten um die Pleite der Silicon Valley Bank die Runde machten. Kurz darauf wankte die Credit Suisse. Die Börsen reagierten mit einem heftigen Ausschlag. Das Wort „Bankenkrise“ stand oder steht im Raum und machte dem Anleger sofort Angst. Operative Hektik brach aus.
Nur etwa drei Wochen später sehen die Börsenbarometer so aus, als wäre nichts geschehen. Es gab einen ordentlichen Dip, von dem sich die Börsen allgemein schnell erholten - eventuell hinken die Bankentitel noch ein bisschen hinterher - , aber ansonsten sind wieder Jahreshöchststände zu betrachten.
Was ist so anders als in der Finanzkrise von 2008?
Wir erlebten sowohl in den USA als auch in der Schweiz einen sehr beherzten Eingriff der staatlichen Institutionen. In beiden Fällen wurde schnell abgesichert, Lücken geschlossen, Anleger und Geldgeber beruhigt mit der Notspritze „Staatseingriff“, die natürlich das Risiko birgt, dass im Zweifel der Wirkstoff aus der Steuerkasse kommt. Damit wurde das Problem vorerst lokal verkapselt und konnte sich nicht ungehindert weiter verbreiten – Ansteckungsketten zu unterbrechen gilt bei organischen Viren, bei digitalen IT-Viren und in der Finanzwelt gleichermaßen.
Ein Blick auf die Ursachen dieser Situation ist jedoch unerlässlich, um daraus zu lernen. Bei der Betrachtung fällt schnell auf, dass sich im Finanzsektor eine Entspannung und ein Zurücklehnen, um sich den anderen großen Problemen (gibt ja genügend) zu widmen, nicht anbietet und etwas zu voreilig sein könnte.
Beide Vorfälle haben sehr unterschiedliche Gründe, die zu dieser zugespitzten Lage führten:
Die Silicon Valley Bank (SVB) ist, wie der Name erahnen lässt, mit ihrem Geschäft primär in Kalifornien verortet und stark in der Tech-Branche engagiert. Die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlagen demzufolge ungebremst durch: Steigende Zinsen und damit stark steigende Kreditausfallrisiken für die Bank in dieser kapitalhungrigen Wachstumsregion. Viele Startups im Valley der unbegrenzten Möglichkeiten hatten ein rabenschwarzes Jahr hinter sich. Insolvenzen nehmen zu, Kredite werden erst nicht bedient und fallen dann sogar ganz aus. Hinzu kommt, dass die SVB die Sichteinlagen der Kunden in langfristige Staatsanleihen investierte, die bei so stark steigenden Zinsen mit rapidem Kursverfall zu kämpfen hatten. Die Bank war gezwungen diese Verluste zu realisieren, um die strauchelnden Start-ups mit ihren eigenen liquiden Mitteln bedienen zu können, nachdem die sonst übliche Geldbeschaffung durch neue Finanzierungsrunden scheiterte. SVB hatte also massive Probleme sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite der Bilanz. Das Geschäftsmodell wurde so durch die im Zuge der Inflationsbekämpfung tektonischen Verschiebungen am Zinsmarkt und einer Nicht-Beachtung der goldenen Bankenregel (die sich um fristenkongruentes Cash-Management dreht), zum Kollaps gebracht. Darüber hinaus fehlte schlichtweg das Vertrauen der Anleger, dass die Bank diese Krise übersteht. Um diesen Effekt nicht um sich greifen zu lassen, hat die US-Regierung zu diesem starken Eingriff ausgeholt – Ansteckungsgefahr verhindern durch vertrauensbildende Maßnahmen: Einlagen der Kunden absichern, gleichzeitig nicht das Signal geben, dass auch Großinvestoren geschützt werden.
Ob es gereicht hat, werden die nächsten Monate zeigen. Diese ursächlichen Probleme der Banken, insbesondere in den USA, sind durch diese Akut-Maßnahmen nicht gebannt. Sie sind vorhersehbare Folgen der starken Zinsveränderungen. Die Lockerung der Regulierung im Bankensektor und damit die Aufweichung der Stresstest-Regeln für kleinere Institute lassen es außerdem zu, dass sich diese Art von Problemen länger unter dem Deckmantel und vor den Augen der Aufsichtsbehörden verborgen halten lassen können – bevor sie brutal und endgültig ans Licht kommen. Zur weiteren Geschichte oder zu den nächsten Kapiteln dieser Geschichte gehört auch, dass Staaten, Unternehmen und auch Privatleute für ihre Schulden schon jetzt oder spätestens zum Ende der Kreditlaufzeiten, einen sehr viel höheren Preis bezahlen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie mit diesen Mehrbelastungen dann umgegangen wird und wozu es führt.
Die Misere der Notenbanken ist daher groß: Inflation gilt es unbedingt zu bekämpfen, der unvermeidbare Anstieg der Zinsen bereitet dennoch auch seine Probleme – die es jetzt zu lösen gilt.
Völlig anders liegt die Sachlage in der Schweiz.
Die Credit Suisse ist kein unbeschriebenes Blatt. Die Liste der Skandale über Missmanagement, Vorteilsnahme und Fehlentscheidungen ist lang. Es handelt sich hier nicht so sehr um einen Fehler im Geschäftsmodell, sondern es ist der Unsicherheitsfaktor „Mensch“, der die Bank ins Wanken gebracht hat. Die Krise bei Credit Suisse ist damit nicht zuallererst die Folge von veränderten Rahmenbedingungen, sondern vor allem die traurige Wahrheit, dass wenige Menschen sich das System zu Nutze gemacht haben, indem sie hohe Risiken eingegangen sind und den finanziellen Anreizen, die dieses System eben immer noch bietet, nicht widerstehen konnten. Wie auch schon 2008 kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass wir es hier mit der ausgeprägten Gier Einzelner zu tun haben.
Nichtsdestotrotz kam die Schweizer Nationalbank zu dem schnellen Schluss zu unterstützen, um den Dominoeffekt unbedingt zu verhindern. „Too big to fail“ – einfach zu groß, um sie fallen und ihrem Schicksal zu überlassen und ggf. nur noch zuzuschauen, wie andere mit in den Abgrund gerissen werden. Nach dem Motto lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Doch die Frage bleibt, wenn es jetzt zum Zusammenschluss zwischen UBS und der Credit Suisse kommt: Wird der Deal so gestaltet sein, dass es die Risikokasse des neuen Konstrukts nicht zu stark belastet und entsteht so ein Koloss, der „even bigger to fail“ ist? Die Regulatorik wird sich diesem Thema wieder stärker annehmen (müssen) - zum Leidwesen aller. Regulierung bedeutet immer auch eine Erhöhung der Aufwände, also Kosten, damit geringere Margen und verschlechterte Wettbewerbsbedingungen.
Auch wenn sich bei der Credit Suisse die Problemlage anders als bei SVB darstellt, so zeigt auch dieser Fall, dass ohne Vertrauen alles nichts ist. Mangelndes Vertrauen kann eine zerstörerische Kraft entwickeln und Werte in kürzester Zeit vernichten. Es bleibt spannend an den Börsen und uns stehen vermutlich weiterhin anspruchsvolle Monate bevor.